Gipfel sind keine Ziele. Sie sind Atempausen für die Seele, stille Zwischenstopps fürs Herz. Mit den Bergen vor der Haustür gibt es unzählige Möglichkeiten zum Kraxeln – und wir nutzen sie. Mal sind es große Touren, mal kleine Abenteuer. Mal sind es Gipfel, mal versteckte Pfade, die uns den Alltag vergessen lassen. Immer aber sind es diese magischen Momente, die uns lehren, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein.

Wer die Magie der Berge kennt, weiß, wie tief der Schmerz sitzen kann, wenn dieser Zauber von Kommerz erdrückt wird. Es tut weh zu sehen, wie Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit Einzug halten in diese, für mich heiligen, Orte. Nicht, weil ich anderen ihr Abenteuer nicht gönne – sondern weil ich kaum noch Respekt spüre für das Besondere dieser Welt. Stattdessen: Der Berg als Bühne für ein Publikum, das vom Bergsteigen nichts versteht. Der Berg als Schauplatz für Selbstdarstellung und Likes. Mehr Schein als Sein. Mehr Filter als echtes Erleben. Weniger Respekt. Weniger Demut. Und kaum noch Platz für die Stille, die diese Orte einst ausgemacht hat.

Ich glaube fest: Ohne soziale Medien gäbe es diesen Hype so nicht. Der Berg wird zum Mittel zum Zweck – statt Ziel für Herz und Seele. Für mich aber bleibt er Stille. Einkehr. Einfachheit. Geduld. Zeit. Wahrhaftigkeit. Und echtes bergsteigerisches Können. Vielleicht kann man darüber diskutieren, so lange man will. Es wird immer beide Seiten geben – Fortschritt versus Bewahrung. Was ich in den letzten Jahren gelernt habe: Ich kann nicht kontrollieren, wie andere Menschen denken, handeln oder die Berge erleben. Aber ich kann entscheiden, wie ich selbst damit umgehe. Meinen eigenen Weg weitergehen. Abseits vom Massentourismus. Dort, wo die Luft nach Freiheit schmeckt und die Stille ihre Geschichten erzählt.

Auch in diesem Jahr haben wir schon einige Touren unternommen und dabei Altes mit Neuem verbunden. Alte Pfade neu entdeckt, vertraute Gipfel mit frischem Blick erkundet. Unsere Lieblingsplatzerl haben wir wieder besucht und Sonnenuntergänge aus nächster Nähe erlebt. Wenn der Himmel in Flammen steht und die Berge in warmes Licht tauchen, entschwindet der Tag ganz leise. Diese Augenblicke weben einen sanften Zauber, der den Alltag vergessen lässt und das Herz mit Dankbarkeit erfüllt. Heute nehme ich Dich mit auf zwei unserer bisherigen sieben Touren.

ℹ️ Der Hochstaufen, Hausberg von Bad Reichenhall. Aus allen Himmelsrichtungen wurden vom Tal Aufstiegslinien in die Landschaft gezaubert. Vom einfachen Wanderweg bis zum schweren Klettersteig findet hier jeder Berggeher Routen nach seinen persönlichen Vorlieben. Der Süden des Hochstaufen wird durch die steile, 1000 m hohe Goldtropfwand geprägt. Der Goldtropfsteig windet sich durchgängig steil bis sehr steil durch die Hochstaufen-Südflanke. Das Ganze ist nicht beschildert, daher Augen auf beim Finden der Wegmarkierungen. Die zweite Aufstiegshälfte bedarf stellenweise den Einsatz der Hände (keine Seilversicherungen vorhanden) und ist zudem in Abschnitten recht luftig. Wegen der ausschließlich südseitigen Exposition ist der Begeher im Sommer extremer Hitze ausgesetzt. Gute Kondition, Erfahrung in der Begehung von Steilschrofen sowie elementarer Orientierungssinn sind nötige Parameter für diese rustikale Runde. Der Aufstieg durch die Goldtropfwand ist keine Wanderung – also nur für erfahrene Berggeher geeignet! Achtung: Steinschlaggefahr

📍Tour: Hochstaufen via Goldtropfsteig
⛰️ Gipfel: Hochstaufen 1771 m
⬆️⬇️ 1140 Höhenmeter
🍴Einkehr: Reichenhaller Haus 1750 m
👣 Strecke: 8,4 km
⏱️ Gehzeit: 6 Stunden inkl. Pausen

➡️ Wanderparkplatz unterhalb der Padinger Alm (600 m) in Nonn/ Bad Reichenhall –  Aufstieg via Goldtropfsteig – Einkehr Reichenhaller Haus (1750 m) – Abstieg via Bartlmahd – zurück zum Auto am Ausgangspunkt ⬅️

Morgens um 5 Uhr klingelte der Wecker. Die Morgenroutine lief im Eiltempo: Kaffee im Stehen, nebenbei Snacks richten, Fellnasen füttern, Rucksäcke fertig packen – und los. Alles mit dem Ziel: möglichst früh am Wanderparkplatz starten. Mit dem Sonnenaufgang war klar: wettertechnisch stand der Tour nichts im Weg. Um 8 Uhr hatten wir schon Schwierigkeiten, einen Parkplatz zu bekommen. Umso schöner dann: Im Aufstieg haben wir niemanden getroffen. Nur wir, die Berge und das Knirschen unserer Schritte im Schotter.

Aufstieg
Vom Parkplatz aus ging es bergwärts in den Wald. Zunächst folgten wir der Forststraße, bis wir im Wald auf einem Felsblock ein großes „G“ entdeckten – die Startmarkierung des Goldtropfsteigs. Ein schmaler, aber deutlich erkennbarer Pfad führte uns weiter. Rote Markierungspunkte – mal in regelmäßigen, mal in größeren Abständen – wiesen den Weg über den teils steilen, bewaldeten Hang. Die Route verlief steil bergan durch die Holzbotanik, vorbei an querliegenden Bäumen und über eine kurze Geröllpassage bis zum Ansatz einer markanten Felswand. In steilen Zick-Zack-Passagen gewannen wir rasch an Höhe, bis der Weg schließlich einen Felsüberhang erreichte.

Unter diesem Felsdach befindet sich ein idyllischer Rastplatz  (1240 m) mit beeindruckendem Tiefblick auf Bad Reichenhall. Zahlreiche Gedenktafeln sind dort angebracht – ein stiller, ehrwürdiger Ort. Ab hier wurde es anspruchsvoller. Die Wegmarkierungen waren stellenweise schwer zu finden und der weitere Aufstieg erforderte Konzentration sowie gute Orientierung. Immer öfter mussten wir uns auf allen Vieren von Markierung zu Markierung vorarbeiten.

Eine markierte Rinne verließen wir per Linksschwenk – ein roter Pfeil wies den Weg zur Schlüsselstelle des Steigs. Diese etwa fünf Meter hohe Steilstufe kletterten wir vorsichtig hinauf, unterstützt durch den gut griffigen Fels. Oberhalb dieser Passage wurde das Gelände wieder etwas einfacher zu begehen. Der Goldtropfsteig schlängelte sich weiter durch den dichten Krummholzdschungel, bis wir schließlich auf den Bartlmahd-Normalweg stießen. In ein paar kurzen Kehren erreichten wir das spektakulär gelegene Reichenhaller Haus (1750 m).

Abstieg
Am Reichenhaller Haus gönnten wir uns eine wohlverdiente Einkehr – Zeit, ein paar Gipfel-Kalorien nachzulegen. Jeder Bissen war ein Genuss. Anschließend führte uns der Rückweg geradeaus entlang der Bartlmahd-Strecke. Im einfachen Gelände wanderten wir mit nur geringem Höhenverlust aussichtsreich in westlicher Richtung weiter. Kurzzeitig streiften wir dabei den Staufengrat.

Links haltend begann der unangenehmste Abschnitt des Abstiegs: ein Eiertanz über einen steilen Schutthang, der Trittsicherheit und Konzentration verlangte. Die Bartlmahd-Route, gleichzeitig der Normalweg auf den Staufen, ist an zwei besonders aussichtsreichen Punkten mit Sitzgruppen ausgestattet – perfekte Plätze für eine letzte kurze Pause vor dem Abschluss.

In unzähligen Kehren verloren wir allmählich an Höhe. Nach einer gefühlten Ewigkeit mündete der schmale Pfad schließlich in eine breite Schotterstraße – unserem bekannten Aufstiegsweg von der Padinger Alm. Die letzten Meter zurück zum Parkplatz gingen fast wie von selbst. Im Rucksack: ein schöner Tourentag und jede Menge Erinnerungen.

ℹ️ Die Überschreitung der Schärtenspitze gehört zu den Toptouren der Berchtesgadener Alpen. Die Schärtenspitze ist zwar nicht der höchste, aber einer der markantesten Gipfel des Hochkalter-Massivs. Diese weniger häufig gegangene Richtung im Uhrzeigersinn mit Aufstieg aus Ramsau über die Hochalm ist angenehm einsam und hat zum Vorteil, dass anschließend wunderbar auf der Blaueishütte oder der Schärtenalm eingekehrt werden kann. Der Aufstieg über die Eisbodenscharte ist ein schwieriger mit Drahtseilen gesicherter Abschnitt. Auch im Abstieg von der Schärtenspitze zur Blaueishütte gibt es versicherte Stellen. Besonders im steilen Abstieg ist die Steinschlaggefahr aufgrund der großen Beliebtheit sehr hoch.

📍Tour: Schärtenspitze via Eisbodenscharte
⛰️ Gipfel: Schärtenspitze 2153 m
⬆️⬇️ 1500 Höhenmeter
🍴Einkehr: Blaueishütte 1650 m
👣 Strecke: 14 km
⏱️ Gehzeit: 6 Stunden zzgl. Pausen

➡️ Wanderparkplatz Pfeiffenmacherbrücke in Ramsau (Berchtesgaden) –  Aufstieg via Hochalm – Eisbodenscharte – Schärtenspitze (2153 m) – Einkehr Blaueishütte (1650 m) – Abstieg via Schärtenalm – zurück zum Auto am Ausgangspunkt ⬅️

Wenn sonntags um 4 Uhr der Wecker klingelt, dann steht meist etwas Größeres an. Während andere noch schlafen, schlüpfen wir in die Bergschuhe. Ein neuer Gipfel war geplant – und große Hitze angekündigt. Aber wir nutzen die sonnigen Tage, so gut es geht. Das Wetter ist in diesem Sommer extrem unbeständig und dadurch kaum berechenbar. Planungssicherheit? Fehlanzeige. Die Berge laufen nicht davon, sagt man. Aber die Momente, in denen alles passt, die sind selten. Und genau dann wollen wir draußen sein.

Aufstieg
Über die Forststraße führte der Weg zunächst bequem bis zur Eckaualm. Dort mündete der breite Weg in einen schmaleren Pfad, der sich in Serpentinen durch den Wald nach oben schlängelte. Kurz nach der Hochalm-Hütte verzweigte sich der Weg – rechts ging es weiter zur Eisbodenscharte. Langsam ließen wir das Dickicht aus Latschen und Sträuchern hinter uns und die Hochalm erschien als dunkelgrüne Bergwiese. Ein starker Kontrast zu den steilen, grauen Felswänden, die sich darüber auftürmten.

Nach einer kurzen Rast in der Sonne setzten wir unseren Weg fort. Über große Felsblöcke führte der mit Punkten markierte Steig an den letzten Schneefeldern vorbei direkt an die Felswand heran. Schließlich standen wir unterhalb der Eisbodenscharte. Der Aufstieg führte durch eine steile, mit Stahlseilen versicherte Rinne. Oben, auf der Eisbodenscharte (2064 m), öffnete sich ein beeindruckender Tiefblick bis hinunter zum Hintersee.

Die letzten Meter von der Scharte zum Gipfel der Schärtenspitze führten über einen Grat, der an mehreren Stellen ausgesetzt war – aber auch hier waren die heikleren Passagen mit Drahtseilen gut gesichert. Am Gipfel angekommen, legten wir überaus zufrieden eine Pause ein und genossen den Ausblick: das Hochkaltermassiv zum Greifen nah, die Westflanke des Watzmanns in voller Pracht, dahinter die Reiteralpe.

Abstieg
Der Abstieg erfolgte über den Normalweg – anfangs steil, stellenweise rutschig und durch losen Schotter recht fordernd. Nach kurzer Zeit erreichten wir das Blaueis, wo sich ein Blick auf die letzten Schneefelder des Blaueisgletschers bot. Viel ist nicht mehr übrig vom nördlichsten Gletscher der Alpen. Ein Anblick, der nachdenklich macht.

Der folgende Abschnitt ist durch die hohe Frequentierung von der Blaueishütte aus stark steinschlaggefährdet, also hieß es: konzentriert bleiben. Das letzte Stück zur Hütte verläuft dann deutlich sanfter – ein schmaler Weg, gesäumt von großen Felsblöcken und Latschenkiefern führt direkt zur Blaueishütte (1650 m). Hier gönnten wir uns eine ausgiebige Einkehr – mit reichlich Zeit zum Verschnaufen, Genießen und Schlemmen. Die Blaueishütte ließ keine Wünsche offen: kühle Getränke, hausgemachter Kuchen und ein herzhaftes Hüttenessen, das nach der langen Tour doppelt so gut schmeckte. Mit Blick auf die umliegenden Felswände ließen wir uns die Sonne ins Gesicht scheinen und genossen dieses herrlich unbeschwerte Hüttenleben.

Von dort ging es weiter talwärts: Zuerst über einen schmalen Pfad mit engen Serpentinen, später über eine breitere Forststraße hinab zur Schärtenalm Der Weg setzte sich gut begehbar fort, bis wir schließlich den beschilderten Abzweig in Richtung Ramsau und Pfeiffenmacherbrücke erreichten.

Es sind genau diese Touren, die im Herzen bleiben – nicht nur wegen der Aussicht, sondern wegen dem, was sie in einem bewegen. Es sind die ersten Schritte im Morgengrauen, die müden Beine am Gipfel, das gemeinsame Schweigen beim Blick ins Tal. Es ist die Mischung aus Anstrengung, innerer Ruhe und diesem kleinen, leisen Glück, das man nur dort oben findet – weit weg vom Alltag, ganz nah bei sich selbst.

Viel Freude mit der Bilderserie & danke für’s „Mitgehen“! ❤️

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4 Kommentare
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Bärbel

Oh Claudia, Du bist die perfekte Erzählerin und kannst unheimlich bildlich Eure Heimat wiedergeben.
Wenn ich Euch nicht kennen würde, könnte ich eifersüchtig sein bei der Romantik.
Ein Träumchen habt Ihr Euch geschaffen. 😘🍀🧸💕

Papa & Bruci

Hallo – Bruci, seine Kumpels und ich sind noch ganz „geflasht“ vom Lesen Eurer Berg-Abenteuer und vom Anschauen der herrlichen Bilder …
Und „im vollen Ernst“ möchten wir Dir hier einmal einen „Denkanstoß“ darüber geben, daß Du Dein wahnsinniges Schreib-Talent, verbunden mit dem Sinn für wunderschöne Motiv-Bilder eigentlich unbedingt für ein „zweites Standbein“ nutzen solltest …
LG
Bruci und wir !